8. décembre 2018

Cannabis und Recht

Cannabis wurde bereits früh als Arzneimittel verwendet, z. B. gegen rheumatische und bronchiale Erkrankungen, zur Bekämpfung von Migräne, Schlafstörungen und als Schmerzmittel. Gleichzeitig wurde es aufgrund der berauschenden Wirkung von Tetrahydrocannabinol («THC») zugleich auch gesellschaftlich verteufelt. Nachdem Cannabis rechtlich mit Kokain und Heroin gleichgestellt wurde, zeigen die Legalisierungsbestrebungen und die Entkriminalisierung des Cannabiskonsums auch in der Schweiz (bis zu 10g; vgl. Art. 19b Bundesgesetz über die Betäubungsmittel und die psychotropen Stoffe, BetmG, SR 812.121), dass sich der gesellschaftliche Umgang mit Cannabis im Wandel befindet. Dies macht Cannabis auch für die Industrie attraktiv. Schätzungen zufolge soll die Cannabisindustrie bis 2022 weltweit auf rund USD 32 Mrd. wachsen. Illustrativ sind folgende Schweizer und internationale Industrie-Highlights:

  • Die prophezeiten Wachstumszahlen der Cannabisindustrie beflügeln auch Investoren an der Börse: Der Marihuana-Index von Nordamerika, der die 20 grössten Cannabis-Unternehmen abbildet, hat in diesem Jahr zwischenzeitlich ein Wachstum von über 100% verzeichnet. Ausschlaggebend dafür waren die erstmalig zugelassenen Kotierungen der grössten kommerziellen Cannabis-Händler Cronos Group Inc. am Nasdaq und der Canopy Growth Corporation an der NYSE im Frühjahr 2018.
  • Auch die Schweizer Finanzindustrie ist aktiv im Cannabis-Markt: Sogar die Schweizer Nationalbank gilt seit dem Kauf von knapp 300’000 Aktien als einer der grössten Investoren von Canopy. Seit April bietet Leonteq ein Tracker Zertifikat namens «WEEDTQ» an, das die Entwicklungen der grössten Cannabisunternehmen in Nordamerika abbildet. Investoren versprechen sich insbesondere Erlöse aus den Cannabis-Nebenprodukten.
  • Um solche Produkte geht es auch Getränkehersteller Coca-Cola, der dafür eine Kooperation mit dem in Kanada kotierten Unternehmen Aurora Cannabis ankündigte, was der Aktie massiven Aufwind bescherte. Mit der Übernahme des Rivalen CanniMed Therapeutics ist Coca-Cola an die Weltspitze gestossen (https://www.nzz. ch/finanzen/coca-cola-verspricht-sich-einiges-vom-geschaeft-mit-marihuana-ld.1422876).
  • In der Schweiz sind vor allem Entwicklungen im Bereich des THC-freien Cannabis «CBD» zu beobachten. So haben sowohl Coop als auch Valora und Denner Hanfzigaretten in ihrem Sortiment. Unter der Marke «Heimat» verkauft die Ostschweizer Koch & Gsell AG schweizweit ihre Hanfzigaretten und beabsichtigt für das neue Jahr in verschiedenste EU-Länder zu expandieren (https://www.handelszeitung.ch/invest/das-geschaft-mit-legalem-gras-zieht-noch-immer#).
  • Der Erfolg der US-Cannabisindustrie ist insbesondere auch der Unterhaltungsindustrie geschuldet. Das Cannabisunternehmen Ignite versteht es, soziale Medien (wie Instagram) für die Anpreisung ihrer Cannabisprodukte zu verwenden und brachte bereits verschiedenste Investmentfonds dazu in die Entwicklung entsprechender IP-Rechte zu investieren.

Aufgrund der unterschiedlichen Rechtslage ist es immer noch fraglich, ob sich die Cannabisprodukte auch international durchsetzen können. Die rechtlichen Herausforderungen werden nachstehend punktuell illustriert:

Generelle rechtliche Einordnung
In der Schweiz ist sowohl der Besitz als auch der Konsum von Cannabis grundsätzlich widerrechtlich (Art. BetmG). Das Betäubungsmittelgesetz privilegiert und unterscheidet zwischen folgenden Konsumarten von Cannabisprodukten:

  • Cannabisprodukte mit eine THC-Gehalt unter 1% können legal verkauft, erworben und konsumiert werden.
  • Der Konsum von Cannabisprodukten mit über 1% THC ist nicht erlaubt, gilt jedoch als Übertretung, die mit einer Ordnungsbusse von CHF 100 bestraft werden kann (Art. 19b BetmG).
  • Jegliche kommerziellen Handlungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb und der Abgabe von Cannabisprodukten mit über 1% THC sowie dazugehörige Vorbereitungshandlungen, wie z. B. der Import, sind strafbar.
  • Die Abgabe von Cannabisprodukten mit über 1% THC als Arzneimittel durch dafür zugelassene Medizinalpersonen ist zulässig (Art. 9 BetmG). Sativex (Cannabis-Spray) ist das einzige Cannabisarzneimittel, das momentan in der Schweiz heilmittelrechtlich zugelassen ist. Patientinnen und Patienten benötigen eine spezielle Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), um Cannabis-Tinktur, -Öl oder synthetisch hergestellte Produkte in zwei Apotheken der Schweiz zu beziehen. Das BAG erteilt Bewilligungen nur in Fällen von Spastik wie bei Multipler Sklerose, chronischen Schmerzzuständen, Appetitlosigkeit bei HIV-Patienten, sowie in schweren Fällen von Krebserkrankungen (vgl. medcan.ch/de/recht).

Patentrechtliche Problematik
Die Erteilung von Patenten für Erfindungen im Zusammenhang mit Cannabis wurde in der Vergangenheit mit Verweis auf die öffentliche Ordnung regelmässig verweigert (vgl. Art. 53 lit. a EPÜ; Art. 2 Abs. 1 lit. b PatG). In den USA stellt insbesondere die Drug Enforcement Agency (DEA) die medizinische Wirkung von Cannabis und damit die Patentierbarkeit von Cannabisprodukten in Abrede. Im laufenden US-Verfahren «United Cannabis Corporation v. Pure Hemp Collective Inc. (1:18-cv-01922) ist der Rechtsbestand eines Patentes für eine flüssige Cannabinoid-Zusammensetzung (95% CBD) in Frage gestellt. Da auf föderaler Stufe der Anbau und der Verkauf von THC enthaltendes Cannabis in den USA noch immer widerrechtlich ist, ist das Patent gefährdet. Auch die «Neuheit» nach 35 U.S.C. § 101 ist strittig: Aufgrund der weit zurückreichenden Experimente mit Cannabispflanzen könnte es sein, dass nun als Patent angemeldete Erfindungen nicht mehr als neu gelten. Andererseits sind diese Experimente aufgrund der jahrzehntelangen kaum dokumentiert, was den Angriff auf die Neuheit erschwert.
In den USA wurden im Jahr 2018 weit über 120 Patentanmeldungen mit mindestens einem Anspruch für Cannabis angemeldet. Vor dem Hintergrund der (patent-)rechtlichen Schwierigkeiten hat sich die Organisation «The Gene Pool» (genepool.io) zum Ziel gesetzt, die Patentierung von Cannabiserzeugnissen finanziell, aus rechtlicher Sicht, sowie ideell zu unterstützen. Vom Ausgang von United Cannabis Corporation v. Pure Hemp Collective Inc. erhofft sich die Industrie Rechtssicherheit für die Entwicklung und Anmeldung weiterer Erfindungen.
Wirtschaftsrechtliche Fragestellungen

Die Teillegalisierung von Cannabis-Produktion und -Handel ist verzögert auch in der Finanzmarktregulierung angekommen. In USA war die Kotierung an der Börse untersagt, weshalb sich z. B. die Canopy Growth Corp. zuerst an der Börse in Toronto kotieren liessen. Erst 2018 hat die U.S. Securities and Exchange Commission (SEC) auch reine Cannabisunternehmen an den US-Börsen zugelassen. Cannabisaktien wurden auch lange Zeit OTC gehandelt, weshalb der effektive Wert dieses Industriezweiges insgesamt schwierig zu bemessen ist.
Es ist fraglich, ob Pharmaunternehmen sowie Cannabisunternehmen in der Schweiz für die Entwicklung von Cannabisprodukten ein geeignetes regulatorisches Umfeld finden. Verträge rund um das Cannabis-Geschäft, z. B. Lizenz-, Investitionsverträge sowie R&D-Vereinbarungen, wären nach Art. 20 Obligationenrecht (SR 220) auf ihre Gültigkeit zu prüfen. Auch das Geldwäschereigesetz wäre einschlägig bei Cannabis-Geschäften.
Ausblick

Der Nationalrat hat am 11. September 2018 die Beratung zu einer Legalisierung von Cannabis verworfen. Aktuell läuft die Vernehmlassung zum sogenannten Experimentenartikel, der Pilotprojekte für die wissenschaftliche Erfassung von Cannabiskonsum zulassen und die Abgabe zu medizinischen Zwecken erleichtern soll. Es bleibt abzuwarten, ob aufgrund der kommerziellen Interessen sich industrielle Kreise für eine baldige Anpassung des regulatorischen Umfelds einsetzen werden.