Anpassung des Urheberrechts an die digitale Landschaft
Als Resultat eines langen Verhandlungsprozesses wurde die höchst umstrittene EU-Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt vom Europäischen Parlament (15. April 2019) und vom Europäischen Rat (15. April 2019) schliesslich verabschiedet. Mit dieser Reform soll der Schutz der Urheber im digitalen Umfeld gestärkt werden: Im Visier steht insbesondere das wachsende Wertgefälle zwischen den grossen US-Internetkonzernen (etwa Google, App-le und Facebook), die geschützte Werke mit geringem Aufwand monetarisieren, und den Urhebern, die für ihre Investitionen nur bescheiden vergütet werden.
Zwei strittige Neuerungen
Für Kontroversen hat das Leistungsschutzrecht gemäss Art. 15 (früher: Art. 11) gesorgt, das Presseverlagen mit Sitz in der EU ein Verwertungsrecht gegen Nachrichtenaggregatoren gewährt, die deren Presseveröffentlichungen in Artikelanrissen wiedergeben (etwa Google News). Nach neuer Regelung sind Online-Diensteanbieter verpflichtet, für die Anzeige geschützter Textausschnitte oder Bilder eine Lizenz zu erwerben. Die zahlreich vor-gesehenen Ausnahmen (u.a. für «einzelne Wörter und sehr kurze Auszüge») müssen noch im nationalen Umsetzungsprozess und letztlich situativ in der Rechtsprechung präzisiert werden.
Zankapfel der Revision (Art. 17 – früher: Art. 13) war die Einführung einer Lizenzerwerbspflicht für kommerzielle Internetplattformen, die von ihren Nutzern hochgeladene, urheberrechtlich geschützte Werke verbreiten (etwa Youtube). Besteht keine Lizenz, kann die Plattform für das unerlaubte Hochladen haftbar gemacht werden. Einen Exkulpationsbeweis kann sie aber erbringen, wenn sie sich u.a. angemessen bemüht hat, das Hochladen von geschützten Werken zu blockieren. Zudem muss sie auf Antrag Werke unverzüglich sperren und deren zukünftiges Hochladen verhindern (sog. Stay-Down). Kritiker weisen darauf hin, dass die Rechteinhaberschaft zahlreicher Werke nicht eindeutig ist und dass das Haftungsrisiko nur mittels zensuranfälliger Uploadfilter zu entschärfen wäre.
Folgen für die Schweiz
Parallel zur Reform in der EU läuft seit über sechs Jahren die Revision des Urheberrechtes in der Schweiz, womit nicht zuletzt internationale Kritik am angeblich mangelhaften Urheberrechtsschutz adressiert werden soll. Im Gegensatz zur europäischen Novelle sieht die Schweizer Vorlage keine Haftungsgrundlage für Hosting-Anbieter vor. Nur «piratenfreundliche» Hosting-Anbieter, die namentlich durch eine technische Funktionsweise oder durch eine wirtschaftliche Ausrichtung Urheberrechtsverletzungen begünstigen, müssen dafür sorgen, dass einmal beseitigte urheberrechtsverletzende Inhalte nicht erneut zugänglich gemacht werden (Art. 39d E-URG). Diese Stay-Down-Pflicht bleibt indes ein Papiertiger: Angesichts ihres Adressatenkreises dürfte sie für Schweizer Hosting-Anbieter kaum zur Anwendung kommen, und gegenüber im Ausland ansässigen Anbietern ist sie ohnehin nicht durchzusetzen. Bei Letzteren greift aber künftig die EU-Regelung.
Im Ständerat wurde die Einführung eines Leistungsschutzrechtes zugunsten von Journalisten und Medienverlagen diskutiert, letztlich aber fallengelassen. Als Argument wurde vorgebracht, dass Verlage generell auch von der optimierten Zusammenstellung ihrer Artikel durch Internetplattformen profitieren. Das Schutzbedürfnis der Presse im digitalen Umfeld und die Umsetzung des EU-Leistungsschutzrechts sollen indes weiterhin auf dem politischen Radar bleiben.