7. December 2016

Lizenzgebühr auch ohne Patentschutz

Am 7. Juli 2016 entschied der EuGH wegweisend, dass es nicht gegen europäisches Kartellrecht verstösst, zu vereinbaren, dass eine Lizenzgebühr auch dann für die ganze Vertragsdauer geschuldet ist, wenn sich nachträglich zeigt, dass (a) die Tätigkeit des Lizenznehmers gar nicht in den Schutzbereich des lizenzierten Patents eingreift oder (b) das lizenzierte Patent ursprünglich nichtig war (EuGH C-567/14). Vorausgesetzt ist allerdings, dass der Lizenznehmer über eine angemessene Kündigungsmöglichkeit verfügt. Ausgangspunkt bildete ein 1992 abgeschlossener Lizenzvertrag zwischen der Rechtsvorgängerin der Hoechst GmbH (Lizenzgeberin 1) und deren Tochtergesellschaft Sanofi-Aventis Deutschland GmbH (Lizenzgeberin 2) mit Genentech Inc. (Lizenznehmerin). Lizenzgegenstand war ein 1999 widerrufenes Europäisches Patent sowie zwei 1998 bzw. 2001 erteilte US Patente. Die Lizenznehmerin bezahlte eine geringe jährliche fixe Gebühr, nicht aber die umsatzabhängige Lizenzgebühr. 2008 verlangten die Lizenzgeberinnen Auskunft über die Herstellung lizenzpflichtiger Produkte, worauf die Lizenznehmerin den Vertrag kündigte und die Lizenzgeberinnen auf rückwirkende Bezahlung der umsatzabhängigen Lizenzgebühren klagten.
Der zuständige Einzelschiedsrichter legte den Lizenzvertrag so aus, dass die umsatzabhängigen Lizenzgebühren für die ganze Vertragsdauer geschuldet seien. Im so ausgelegten Vertrag sah die Lizenznehmerin eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Abrede, da eine Lizenzzahlungspflicht wettbewerbsrechtlich nur gemäss Art. 101 Abs. 3 AEUV gerechtfertigt werden könne, wenn der Lizenznehmer immaterialgüterrechtlich tatsächlich auf eine solche Lizenz angewiesen sei. Der vom Cour d’Appel de Paris angerufene EuGH erachtet die vertragliche Vereinbarung der Lizenzgebühr unter Art. 101 AEUV jedoch als zulässig. Der EuGH hielt also dafür, dass auch ein sich nachträglich als «unnötig» erweisender Lizenzvertrag positive Effekte zeitigt, welche kartellrechtlich als Rechtfertigungsgründe für eine Wettbewerbsbeschränkung genügen können. Der Lizenzvertrag schafft Rechtssicherheit für den Lizenznehmer und ermöglicht damit Investitionen, welche dieser sonst u.U. unterlassen würde. Zudem entwickelt ein ungültiges Patent bis zum Zeitpunkt der Feststellung der Ungültigkeit oftmals eine Scheinwirkung, von der auch der Lizenznehmer profitiert.
Schweizer Gerichte könnten geneigt sein, einen gleichgelagerten Fall entsprechend zu beurteilen, zumal das BGer wiederholt anerkannt hat, dass der Scheinwirkung eines Schutzrechts bis zur Feststellung von dessen Ungültigkeit Rechnung zu tragen ist (BGE 116 II 191, 196, E. 3a; BGE 85 II 38, 41 f., E. 6b; vgl. auch STEFAN LEIMGRUBER, Risikoverteilung im Lizenzvertrag – Wer trägt die Folgen der Patentnichtigkeit, in: sic! 2014, 421 ff.).
 

tags to this post